Im Süden Baden-Württembergs boomt das Geschäft mit den Erneuerbaren. Das im Jahr 2000 durch Privatinitiative gegründete Unternehmen Solarcomplex aus Singen wird bald die Zahlen für 2024 vorlegen. Es werden laut Vorstand Bene Müller noch bessere sein als im Jahr zuvor. Zudem ist das Interesse an Anteilsscheinen ungebrochen.
// VON Volker Stephan MEHR...
Bis etwa Anfang Mai, so Bene Müller im Gespräch mit dieser Redaktion, wolle Solarcomplex die neue Aktionärsrunde vollständig abgeschlossen haben. Dann sollen 2,5 Millionen neue Aktien (Ausgabepreis 3,10 Euro) an Mann und Frau gebracht sein. Von den kalkulierten Einnahmen in Höhe von 7,5 Millionen Euro seien bereits 6 Millionen Euro eingesammelt, so der Vorstandssprecher.
Frisches Geld treibt das Unternehmen wiederkehrend ein, um es in neue Projekte der Energie- und Wärmewende in der Bodensee-Region zu investieren. So entsteht in Dingelsdorf und Wallhausen, beides Vororte von Konstanz, ein innovatives Wärmenetz, beide Gemeinden beziehen ihre Wärme aus einer gemeinsamen Heizzentrale. In das 25-Millionen-Euro-Projekt fließen laut Bene Müller 4 Millionen Euro aus der Kapitalerhöhung.
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Das aktuelle Vorstandstrio (von links): Edgar Kunz, Verena Binder und Bene Müller. Quelle: Solarcomplex AG |
Stiftung steigt ein - Viele offene StellenFerner erhalten zwei neue Solarparks jeweils eine halbe Million Euro, genauso wie die designierte Beteiligung von Solarcomplex an einem neuen Windpark. Bene Müller spricht in der Selbstbeschreibung von Solarcomplex als „regenerativem Stadtwerk“: „Wir betreiben und behalten das, was wir bauen.“ Ein Verkauf von Projekten oder Gesellschaftsanteilen sei keine Priorität.
Solarcomplex ist tatsächlich breit aufgestellt. 20 Mitglieder brachten im Gründungsjahr insgesamt 37.500
Euro in die Gesellschaft ein. Heute halten 17.000 Menschen und Unternehmen (auch Stadtwerke) Anteile an der AG, die 2007 aus der GmbH hervorging. Das Grundkapital habe sich mit inzwischen 38
Millionen Euro vertausendfacht, so Bene Müller. Das Unternehmen sei weitgehend unabhängig, kein Eigner erreiche mehr als 5
Prozent der Anteile, die Naturstrom AG sei mit 500.000 Aktien einer der größeren Aktionäre.
Im Rahmen der aktuellen Kapitalerhöhung sei ein weiterer größerer Einstieg erfolgt, so Bene Müller. Die in Deutschland und der Schweiz tätige Crescere-Stiftung aus Konstanz hat nach eigener Darstellung im sechsstelligen Euro-Bereich bei Solarcomplex zugegriffen.
Bene Müller hält sein Unternehmen über die Gesellschaftsschichten hinweg für attraktiv, nicht allein für die vermeintlich im linksalternativen Bereich angesiedelten Energie-Befürworter der ersten Stunde. Auch privat Vermögende vertrauten Solarcomplex ihr Geld an, und dies, obwohl die AG eher eine bescheidene Dividende ausschüttet. 6
Cent waren es zuletzt bei einer Rendite von 4 bis 5
Prozent. Die Anteilsscheine - 2007 noch für 1,90
Euro ausgegeben - sind aktuell bei 3
Euro notiert.
Der Umsatz lag 2023 bei 35
Millionen Euro, die Bilanzsumme bei 98 Millionen Euro. Beides werde 2024 übertroffen, so deutet Bene Müller die aktuellen, noch nicht finalisierten Zahlen. Das Jahr 2025 soll im Zeichen von Rekordinvestitionen stehen: 100 Millionen
Euro will
Solarcomplex ausgeben, so viel wie noch nie.
„Jetzt schiebt der Karren von hinten“Das Potenzial für Projekte im Süden des Ländles seien enorm, so der Vorstandssprecher. Es fehle allerdings an Energieexperten und Handwerkern, um die Flut von gewünschten Vorhaben umsetzen zu können. Auch Solarcomplex sucht in großem Maße nach Verstärkung, wie ein Blick auf die offenen Stellen im Webauftritt zeigt. So ließe sich das Team von aktuell 85 leicht auf 100 Beschäftigte erhöhen.
25 Jahre nach dem Start des Unternehmens steht Solarcomplex in einer völlig anderen Situation. „Anfangs zogen wir an einem Karren, der nicht so recht in Fahrt kommen wollte“, sagt Bene Müller und meint damit schwierige Genehmigungsverfahren und – in Fragen von Wärmenetzen – kaum kooperative Bürgermeister. Spätestens seit dem Druck auf die Energieversorgung durch die Folgen des Kriegs gegen die Ukraine sei alles anders. „Jetzt schiebt der Karren von hinten und wir können nicht schnell genug laufen und lenken.“
Die Folge: „Alle zwei Wochen muss ich der Anfrage für ein Wärmenetz eine Absage erteilen“, sagt Bene Müller. Die Planungs- und Umsetzungskapazitäten hielten mit dem wachsenden Bedarf einfach nicht Schritt. Solarcomplex ist voll ausgelastet mit den festgezurrten Plänen: So sind Wärmenetze in Jungnau (Landkreis Sigmaringen) und Häusern (Waldshut) vermutlich noch in diesem Jahr fertiggestellt, in Hilzingen (Konstanz) kommen 13
Kilometer neue Leitungen vermutlich bis 2026 hinzu.
// VON Volker Stephan WENIGER