STIMMEN ZUM KOALITIONSVERTRAG.
Union und SPD wollen die Energiewende „pragmatisch zum Erfolg machen“. Mit den im Koalitionsvertrag geplanten Kurskorrekturen ecken die Parteien in der Branche jedoch auch an.
Einen Monat haben CDU, CSU und SPD verhandelt, jetzt sieht es danach aus, dass es mit Schwarz-Rot in Berlin klappt. Der Koalitionsvertrag steht, allein parteiintern bedarf er jeweils noch des Placets. Das Papier mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ gibt auf acht Seiten die Ausrichtung der künftigen Bundesregierung bei „Klima und Energie“ wieder. „Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen“, schreiben Union und SPD.
// VON Manfred Fischer
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Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht in dem Papier eine „Basis für eine effiziente Fortführung der Energiewende“. Verbandschefin Kerstin Andreae nennt es „ein gutes Signal, dass die Koalition keine Kehrtwende bei der Energiewende macht, sondern die energiepolitische Kontinuität und einen innovationsgetriebenen Kurs Deutschlands voranbringt“.
Kritisch beäugt der BDEW aber, dass Union und SPD den Staat in Unternehmen mitmischen lassen wollen. „Wir prüfen strategische staatliche Beteiligungen im Energiesektor, auch bei Netzbetreibern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Ein anderer Punkt, der kritisch gesehen wird, ist die Rolle der Reservekraftwerke. Diese sollen nach dem Willen von Schwarz-Rot „nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen“.
„Gute Arbeitsgrundlage“Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hält das Papier für eine gute Arbeitsgrundlage. „Der Vertrag setzt wichtige Akzente, insbesondere bei Investitionen, Planungsbeschleunigung, einer realistischen Umsetzung der Wärmewende und einer Stärkung der Klimaresilienz. Der Fokus auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit ist wichtig für das Gelingen der Energiewende“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Das Stadtwerke-Netzwerk Thüga erkennt im Koalitionsvertrag wichtige Vereinfachungen für die Energiewende. Positiv wertet Thüga-Vorstandsvorsitzender Constantin Alsheimer zudem die gesetzliche Verankerung und Ausweitung der „Bundesförderung effiziente Wärmenetze“ und die geplante Einrichtung eines neuen Investitionsfonds. Schwarz-Rot schwebt ein solcher Fonds für Energieinfrastruktur „im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital“ vor. Zufrieden zeigt sich Alsheimer mit den Überlegungen für eine bessere Integration flexibler Erzeugungsleistung in das Stromsystem, die Anbindung weiterer Verbrauchszentren an das Wasserstoff-Kernnetz, sowie den Aufbau der Wasserstoff-Verteilnetzinfrastruktur und die Einführung einer Grüngasquote.
Kritik übt auch er daran, dass staatlich abgesicherte Reserverkraftwerke der Strompreistabilisierung dienen sollen. „Ein Rückgriff auf alte Kraftwerke außerhalb des Wettbewerbsmarktes setzt falsche Anreize“, so Alsheimer. Der Geschäftsführer der Stadtwerke-Kooperation Trianel, Sven Becker, spricht von einem ordnungspolitischen „Sündenfall, der nicht zur Kosteneffizienz und sinkenden Strompreisen führt, sondern funktionierende Märkte aushebelt“.
KWK-Branche: „Richtung stimmt“Der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (BKWK) spricht von einem „Signal des Aufbruchs“. „Der Koalitionsvertrag zeigt, dass die Bedeutung der KWK für unser Energiesystem der Zukunft von der Politik erkannt wurde und die Richtung stimmt“, sagt Verbandspräsident Claus-Heinrich Stahl.
„Die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung müssen konsequent und langfristig genutzt werden“, so Union und SPD. Die neue Regierung will das KWKG „noch 2025 an die Herausforderungen einer klimaneutralen Wärmeversorgung, an Flexibilitäten sowie hinsichtlich eines Kapazitätsmechanismus“ anpassen. Freie Kapazitäten industriell genutzter KWK-Anlagen sollen in Zukunft stärker genutzt werden.
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) zeigt sich „erleichtert“, dass es nicht zu einer Abkehr von Effizienzanforderungen im Gebäudebestand kommt – wie das teils angedacht war. Als „sehr vage“ moniert die Deneff die Ankündigung im Koalitionsvertrag, dass „erreichbare CO2-Vermeidung“ zentrale Steuerungsgröße werden soll. Die Initiative befürchtet, dass es zu „Rollbacks bei bewährten Effizienzstandards und Zielen im Energieeffizienzgesetz“ kommen könnte.
Alles andere als erfreut zeigen sich Umweltschutzorganisation. „Der Koalitionsvertrag von Union und SPD bleibt beim Klima- und Umweltschutz weit hinter den Erfordernissen der Zeit zurück“, kommentiert der WWF. Das Heizungsgesetz werde unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Technologieoffenheit abgeschafft.
Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet das Aus für Heizungsgesetz als „Worst Case“ für die Wärmewende. Anstoß nimmt die DUH auch den Plänen zum Emissionshandel. „Mit der Öffnung des Klimaneutralitätsziels bis 2045 für schmutzige internationale Kompensationsgeschäfte, wird das deutsche Klimaschutzziel durchlöchert.“
Der
Koalitionsvertrag steht etwa auf der Website der SPD als Download bereit.
// VON Manfred Fischer
WENIGER