Die von der Bundesnetzagentur Mitte Mai vorgelegte neue Kraftwerksliste weist für Deutschland eine gesamte Stromerzeugungsleistung von 265.427
MW aus. Davon entfallen 87.625
MW auf konventionelle Anlagen, einschließlich Speicher, und 177.801
MW auf Erneuerbare-Energien-Anlagen (Erneuerbare-Energien-Anlagen zum 31.12.2024 erfasst). Das entspricht mehr als dem Dreifachen der höchsten Netzlast, die in der Regel an einem frühen Abend eines Wintermonats erreicht wird.
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Die Bundesnetzagentur hat ermittelt, dass bis zum Jahr 2028 insgesamt 6.111
MW an konventionellen Anlagen stillgelegt werden. Davon entfallen 2.523
MW auf Braunkohle gemäß dem gesetzlichen Reduktionspfad, 279
MW auf Anlagen aus der 7.
Ausschreibungsrunde für Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen, 69 MW
auf Anzeigen zur endgültigen Stilllegung gemäß Paragraf
13b des Energiewirtschaftsgesetzes, 2.448
MW auf voraussichtliche Stilllegungen nach Beendigung der Ausweisung der Systemrelevanz oder nach Inbetriebnahme eines Ersatzneubaus und 792
MW auf weitere geplante Stilllegungen.
Dem steht ein erwarteter Zubau an konventioneller Erzeugungsleistung im Zeitraum 2025 bis 2028 von 2.577
MW gegenüber. In dieser Zahl sind die im Bau oder im Probebetrieb befindlichen Anlagen erfasst. Differenziert nach Energieträgern schlüsselt sich die Neubauleistung wie folgt auf: 2.119
MW Erdgas, 208
MW Pumpspeicher, 200
MW Batteriespeicher und 50 MW sonstige Anlagen auf Basis nicht-erneuerbarer Energieträger. Das bedeutet, dass sich die Kapazität der konventionellen Stromerzeugungsanlagen (einschließlich Speicher) bis 2028 um 3.534
MW auf 84.091
MW vermindert.
Schere zwischen gesicherter Leistung und Spitzenlast öffnet sichDie zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast gesichert zur Verfügung stehende Leistung ist nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber bei konventionellen Kraftwerken mit mehr als 90
Prozent anzusetzen. Im Unterschied dazu liegt dieser Anteil bei Windenergie unter 10
Prozent und bei Solarenergie bei null. Für Biomasse und für Wasserkraftwerke kann dagegen eine deutlich höhere Verfügbarkeitsrate zum Zeitpunkt der Höchstlast unterstellt werden, die sich der Situation bei konventionellen Energien zumindest annähert.
Im Ergebnis wird sich trotz des erwarteten starken Ausbaus von Wind- und Solaranlagen die gesicherte Leistung bereits bis 2028 und verstärkt danach im Zuge des fortgesetzten Ausstiegs aus der Kohle vermindern. Dem steht eine zu erwartende Erhöhung der Spitzenlast vor allem aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung im Verkehr und im Gebäudesektor gegenüber.
Ausschreibungen für neue Kraftwerke „muss schnell starten“Angesichts dieser sich öffnenden Schere zwischen gesicherter Leistung und Spitzenlast ist zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland ein zeitnaher Zubau an gesicherter Leistung notwendig. In ihrer Antrittsrede hat die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katharina Reiche, erklärt: “Versorgungssicherheit hat höchste Priorität. Der Blackout auf der iberischen Halbinsel hat gezeigt, wie verwundbar ein Stromsystem sein kann. Wir müssen gewappnet sein, Risiken dieser Art zu minimieren.“
Weiter heißt es im Manuskript der Rede: „Die erneuerbaren Energien sind eine Erfolgsgeschichte. Sie allein jedoch werden eine Industrienation wie Deutschland nicht zuverlässig und zu bezahlbaren Preisen mit Strom versorgen können. Und wir können uns als größer Stromverbraucher in der EU auch nicht nur auf unsere Nachbarn verlassen. Wir brauchen steuerbare Stromerzeugung im eigenen Land. Der Koalitionsvertrag nennt bis zu 20 Gigawatt (GW) Gaskraftwerke. Die Ausschreibung hierzu muss schnell starten.“
Dazu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Gut ist, dass Frau Reiche die Dringlichkeit beim Zubau steuerbarer Kraftwerksleistung erkennt. Wir brauchen 20
GW gesicherte Erzeugungsleistung, unter anderem wasserstofffähige Gaskraftwerke, die jetzt schnell, effizient und investitionssicher ermöglicht werden müssen. Entscheidend ist dabei, dass die Ausschreibungen für neue Kraftwerke zügig starten. Wir warten seit langem auf das Ausschreibungsdesign und die Unternehmen stehen in den Startlöchern.“
Planung, Genehmigung und Bau von Gaskraftwerken erfordern einen Zeitraum von etwa sechs Jahren. Sie folgen dem Prinzip 1,2,3 – ein Jahr für die Planung, zwei Jahre für die Genehmigung und drei Jahre für den Bau. Selbst im Falle einer Beschleunigung wird die Zeit knapp.
Die Bundesnetzagentur stellt die
Kraftwerksliste im Internet bereit.
// VON Hans-Wilhelm Schiffer WENIGER