POLITIK. Das Europäische Parlament hat den von der Kommission angeregten einfacheren Klimazoll gebilligt. Ob dieser aber den Regeln des Welthandels entspricht, wird demnächst in Genf überprüft.
Auf dem Weg zu „mehr Klimaschutz mit weniger Bürokratie“ ist die EU in dieser Woche weiter vorangekommen. Das Europäische Parlament hat die von der Kommission vorgeschlagene Vereinfachung des Klimazolls, genannt CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism), gebilligt. Danach unterliegen dieser Abgabe nur noch Importeure, die mehr als 50 Tonnen CO2 pro Jahr in die Union einführen. Gemeint ist das Kohlendioxid, das bei der Herstellung der Importgüter entsteht.
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Glaubt man der Kommission, dann werden trotz dieser Vereinfachung immer noch 99 Prozent der CO2-Importe vom CBAM erfasst. Aber das muss nicht so bleiben. Denn die Einführung des CBAM erfolgt schrittweise. Zunächst ist der Klimazoll auf wenige Produkte beschränkt: Aluminium, Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel, Wasserstoff und Strom.
Auf der Grundlage der Erfahrungen, die mit diesen Produkten gemacht werden, soll der Klimazoll später auch komplexere Produkte treffen.
Russland hat Beschwerde bei der WTO eingelegtOb der Klimazoll den Regeln des Welthandels entspricht, wird demnächst in Genf überprüft. Russland hat bei der Welthandelsorganisation
WTO
Beschwerde gegen die Pläne der EU eingelegt.
Die Achillesferse des CBAM sind die Daten, die für die Erhebung des Klimazolls benötigt werden. Auch sie soll vereinfacht werden. Die Berechnung der Importabgabe erfolgt auf der Grundlage der „direkten Emissionen“, die unmittelbar bei der Herstellung, zum Beispiel einer Tonne Stahl, entstehen, und der „indirekten Emissionen“, die bei der Erzeugung des notwendigen Stroms entstehen. Diese Daten werden seit Oktober 2023 erhoben.
Seit Januar 2025 können Unternehmen aus Drittstaaten bei der Kommission beantragen, als „autorisierter CBAM Anmelder“ zugelassen zu werden. Vom nächsten Jahr an dürfen nur noch Produkte (gilt nicht für Strom) dieser Unternehmen in die EU eingeführt werden.
Bei der Datenerhebung ist die Kommission auf die Angaben der Hersteller angewiesen. Ihre Angaben müssen von akkreditierten Prüfgesellschaften
zertifiziert werden. Seine Lenkungswirkung entfaltet der Klimazoll nur dann, wenn er herstellerspezifisch ist. Das eröffnet einem Land wie China die Möglichkeit, Produkte aus neuen, klimafreundlichen Fabriken zu exportieren und jene aus alten Anlagen − mit hohem CO2-Ausstoß − im Inland abzusetzen.
Der Klimazoll der EU wird erst ab 2027 erhoben. Im ersten Jahr nur in Höhe von 10 Prozent des ETS-Preises, im Gegenzug erhalten die Unternehmen, die innerhalb der EU etwa Stahl oder Zement produzieren, nur noch 90 Prozent ihrer Zertifikate gratis. In den Folgejahren wird der CBAM dann schrittweise angehoben und die Gratiszertifikate werden im gleichen Maß zurückgeführt.
Großbritannien soll wieder Teil des ETS-Handels werdenZur Vereinfachung des Emissionshandels trägt auch das Kooperationsabkommen bei, das die EU in dieser Woche mit Großbritannien abgeschlossen hat. Es sieht vor, dass die Briten wieder in den europäischen Emissionshandel (ETS) integriert werden. Sie sind damit das erste Drittland, das bereit ist, einen „Klimaclub“ mit der EU zu bilden. Damit entfällt der Klimazoll für Waren und Strom aus Großbritannien. Die Briten können in Zukunft auch wieder gleichberechtigt am Stromhandel mit der EU teilnehmen.
Damit gelangt mehr emissionsarmer Strom auf den europäischen Elektrizitätsmarkt. Der britische Strom wird zu rund 70 Prozent aus erneuerbaren Energien oder Kernkraft erzeugt, nur 26,6 Prozent
aus Erdgas. Die Regierung will die Windenergie weiter ausbauen und den grünen Strom auch exportieren.
Belgien steigt wieder bei Atomkraft einDie Atomkraft wird auch in Belgien wieder salonfähig. Das belgische Parlament hat jetzt den endgültigen Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossen. Bereits Ende Februar hatte die Regierung beschlossen, die Laufzeit der letzten beiden Reaktoren, die in diesem Jahr vom Netz gehen sollten, bis 2035 zu verlängern.
Dafür sind umfangreiche Investitionen notwendig, zu denen der Betreiber Engie offenbar nur bereit ist, wenn der belgische Staat stabile Einnahmen bis 2035 garantiert. Dafür soll ein Differenzvertrag (CfD) sorgen, den die EU-Kommission genehmigt hat. Der zusätzlich entstehende Atommüll würde für 15 Milliarden Euro vom belgischen Staat entsorgt. Die Kommission sieht darin zwar eine staatliche Beihilfe. Die sei jedoch gerechtfertigt, weil sie der Versorgungssicherheit diene.
Der „Strike-Preis“ sei so gewählt, dass der Betreiber mit einer marktüblichen Rendite rechnen könne und die Risiken zwischen dem belgischen Staat und den Investoren geteilt würden. Ob Engie das auch so sieht und breit ist, den Betrieb der Altreaktoren nach 2025 fortzusetzen, steht aber noch nicht fest.
Die Regierung will jetzt auch den Bau neuer Reaktoren prüfen, nicht zuletzt, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Vertragspartner dafür sind aber noch nicht in Sicht.
// VON Tom Weingärtner WENIGER