Der Stahlkonzern Arcelor Mittal stoppt seine Pläne für umweltfreundlich produzierten Stahl in den Werken in Bremen und Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Das Unternehmen gab am 19. Juni bekannt, es könne seine Pläne zur Dekarbonisierung der beiden Flachstahlwerke „leider nicht weiterverfolgen“. Grund seien die Marktsituation und die fehlende Wirtschaftlichkeit einer CO2-reduzierten Stahlproduktion.
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Die Ampel-Regierung hatte 2024 Fördergelder in Milliardenhöhe für die industrielle Transformation in Deutschland bereitgestellt - darunter für die Umstellung von Produktionsprozessen auf neue Energieträger. Arcelor Mittal sollte für die Standorte Bremen und Eisenhüttenstadt 1,3
Milliarden Euro bekommen. Insgesamt sollte das Gesamtprojekt 2,5
Milliarden Euro kosten.
Dafür sollten Elektrolichtbögen gebaut werden, die mit erneuerbarem Strom und einem erhöhten Einsatz von Recyclingschrott Stahl produzieren. In Bremen sollte zudem eine Direktreduktionsanlage entstehen, in der aus Eisenerz zunächst mit Erdgas und langfristig mit grünem Wasserstoff ein Stahl-Vorprodukt hergestellt wird.
Energiewende „langsamer als erwartet“Doch „es wird immer deutlicher, dass die Energiewende in allen Bereichen langsamer als erwartet vorankommt“, erklärte der Konzern. „Dazu gehört auch, dass grüner Wasserstoff noch keine tragfähige Energiequelle ist“ und die Stahlproduktion auf Erdgasbasis als Übergangslösung nicht wettbewerbsfähig sei. Zugleich stehe der europäische Stahlmarkt „unter einem beispiellosen Druck aufgrund der schwachen Nachfrage und der hohen Importe.“
Der Vertrag mit der Bundesregierung über die Förderung habe den Beginn der Bauarbeiten bis Juni 2025 vorgesehen. Daher sei Arcelor Mittal jetzt verpflichtet, der Regierung offiziell mitzuteilen, dass es die Investitionen „nicht weiterführen kann“. Der Konzern halte an dem Ziel fest, die CO2-Bilanz seiner Anlagen weiter zu verbessern. Es erscheine allerdings zunehmend unwahrscheinlich, die CO2-Reduktionsziele bis 2030 zu erreichen, erklärte Arcelor Mittal.
Konzernchef Geert Van Poelvoorde betonte, höchste Priorität sei derzeit, „die Stahlnachfrage in Europa so wiederzubeleben, dass europäische Hersteller auch daran teilhaben können“. Die hohen Importe seien ein großes Problem - nötig sei eine Begrenzung. „Wenn das erreicht ist, wird die Branche auch in einer viel besseren Position sein, um Investitionen in die Dekarbonisierung voranzutreiben.“
Gewerkschafter fürchten um Bremer StahlwerkDie Industriegewerkschaft Metall und der Betriebsrat des Bremer Stahlwerks von Arcelor Mittal haben den Stahlkonzern scharf für den Stopp seiner Pläne für umweltfreundlich produzierten Stahl kritisiert. „Die IG Metall Bremen und die IG Metall Betriebsräte werten diese Entwicklung als ernsthafte Bedrohung der Zukunft des Bremer Werkes“, erklärten sie am Freitag. Die für kommende Woche geplanten Betriebsversammlungen seien abgesagt, stattdessen sei die Belegschaft zu einer Kundgebung aufgerufen. „Die Verunsicherung und Empörung der Belegschaft ist groß“, fuhren Gewerkschaft und Betriebsrat fort.
„Die Absage an eine Direktreduktionsanlage deutete sich bereits an, aber die Ankündigung, bis auf Weiteres keinen Elektrolichtbogenofen in Bremen zu bauen, hat die Glaubwürdigkeit des Unternehmens gegenüber der Belegschaft, der Bremer Politik und der Bremer Bürgerinnen und Bürger erschüttert“, erklärten IG Metall und Betriebsrat in Bremen.
Das Konzept für den Bau eines solchen Ofens habe längst gestanden, die Pläne hätten nur noch auf die Umsetzung gewartet - doch der Konzern habe sich nach und nach zurückgezogen. „Mit dieser Absage an die eigene Dekarbonisierungsstrategie soll der Druck auf die politischen, energie- und marktbezogenen Rahmenbedingungen nochmals erhöht werden“, hieß es.
„Alarmsignal für den Industriestandort Deutschland“Linken-Chefin Ines Schwerdtner sprach von einem „schweren Schlag für die betroffenen Regionen“ und einem „Alarmsignal für den Industriestandort Deutschland“. Die Entscheidung zeige, „dass Konzerninteressen über Beschäftigungssicherung, Nachhaltigkeit und regionale Entwicklung gestellt werden“, erklärte sie. Es sei jedoch klar, dass es „ohne Transformation keine Zukunftsfähigkeit“ gebe.
„Ob es sich um ein taktisches Manöver zur Durchsetzung weiterer Subventionen handelt oder um eine endgültige Kehrtwende, ist offen“, fuhr Schwerdtner fort. Sie forderte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dazu auf, „die Zukunft der Stahlindustrie endlich zur Chefsache zu machen, internationalen Konzernen ihre Grenzen aufzeigen und die öffentliche Kontrolle des Stahlsektors ausbauen.“