Den lang erwarteten Entwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) präsentierten der für Energiepolitik zuständige Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (Österreichische Volkspartei, ÖVP) und weitere Vertreter der Bundesregierung am 4.
Juli in Wien. Die ÖVP befindet sich in einer Koalition mit den Sozialdemokraten und den Liberalen. Hattmannsdorfer nannte das ElWG „eines der größten Gesetze dieser Legislaturperiode“. Dieses bringe die wichtigste Reform des Strommarktes seit 20
Jahren mit sich.
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Zu den Kernpunkten des ElWG gehört dem Minister zufolge eine „Strompreis-runter-Garantie“. Sie besagt grob gesprochen, dass die Versorger ihre Endkundenpreise spätestens sechs Monate nach einem Sinken der Großhandelspreise zu verringern haben. Überwacht wird dies vom Regulator E-Control, dessen Kompetenzen das ElWG erweitert. Eingeführt wird ein ferner ein Sozialtarif von 6
Cent/kWh für Sozialhilfe- und Pflegegeldbezieher sowie Mindestpensionisten. Sie erhalten diesen automatisch, ein Antrag ist nicht nötig.
Nach Angaben der Bundesregierung sind vom Sozialtarif rund 250.000 Haushalte begünstigt, in denen 500.000 der 9,2
Millionen Einwohner Österreichs leben. Versorger, die mehr als 25.000 Haushalte beliefern, werden verpflichtet, dynamische Energiepreise anzubieten, die die Entwicklungen im Stromgroßhandel abbilden.
Darüber hinaus müssen die Energieunternehmen, die im Mehrheitseigentum der öffentlichen Hand sind, in ihren Satzungen ein „öffentliches Interesse an günstiger Energie“ verankern. So sollen nicht zuletzt den Aktiengesellschaften unter ihnen größere Spielräume bei der „Preisfestsetzung im Sinne der Konsumenten“ eröffnet werden. Die größten Energieversorger Österreichs sind sämtlich zu mehr als 50
Prozent im Besitz des Bundes respektive der Bundesländer. Vorgegeben ist dies durch verfassungsrechtliche Bestimmungen. Das Land Tirol verpflichtete den zu 100
Prozent in seinem Eigentum befindlichen Versorger Tiwag bereits 2024, bei der Preisfestsetzung öffentliche Interessen zu berücksichtigen.
Begünstigungen für die Industrie Begünstigungen gibt es für Industrieunternehmen. Ihnen soll das ElWG erleichtern, über Direktleitungen (Öko-)Strom zu beziehen sowie langfristige Power Purchase Agreements (PPA) zu schließen. Darüber hinaus sollen sie einfacher an Energiegemeinschaften teilnehmen können.
Erschwernisse führt das ElWG dagegen für Stromerzeuger ein: Sie müssen künftig einen Teil der Netzgebühren tragen, um die Haushaltskunden zu entlasten. Die Betreiber von Photovoltaikanlagen werden verpflichtet, deren Stromeinspeisung in die öffentlichen Netze auf maximal 60
Prozent ihrer Nennleistung zu begrenzen, wenn dies aus Gründen der Netzsicherheit notwendig ist. Auch für Windkraftanlagen ist eine solche „Spitzenkappung“ vorgesehen. Faktisch werde diese jedoch „nur wenige Stunden pro Jahr“ schlagend, betonte Hattmannsdorfer.
Opposition will prüfen Auf die Frage der Redaktion nach dem Zeitplan für den Beschluss des ElWG beschied Hattmannsdorfer, der Entwurf stehe nun vier Wochen in Begutachtung. In der Folge werde die Regierung mit beiden Oppositionsparteien verhandeln, also den rechtsgerichteten Freiheitlichen (FPÖ) und den Grünen unter der vormaligen Energieministerin Leonore Gewessler. Die Regierung braucht die Zustimmung zumindest einer der beiden Parteien, um das ElWG mit der nötigen Zweidrittelmehrheit zu beschließen.
Gewessler kündigte per Aussendung an, den Entwurf „sorgfältig“ zu prüfen: „Wir wollen ein Gesetz, das seinen Zweck erfüllt: die Energiewende voranbringen, Investitionen in erneuerbare Energie absichern und soziale Fairness garantieren.“ Ähnlich äußerte sich FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger. Ihm zufolge verlangt die FPÖ vom ElWG „Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Rücknahme der völlig überzogenen Klimaziele“. Die Klimaziele sind aber nicht Gegenstand des ElWG, sondern des Klimaschutzgesetzes, für das Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zuständig ist.
Warnung vor BelastungenLicht und Schatten sieht der Elektrizitätswirtschaftsverband Oesterreichs Energie. Generalsekretärin Barbara Schmidt bezeichnete den Beginn der ElWG-Begutachtung als „wichtigen Schritt zu einem modernen, fairen und zukunftsfähigen Strommarkt“. Kritik übte Schmidt unter anderem an der „Strompreis-runter-Garantie“ sowie an der „Belastung der Stromerzeugung durch Netzkosten“. Auch sei Energiepolitik „kein geeignetes Instrument zur Bewältigung sozialpolitischer Herausforderungen“.
Kritik kam auch von den Ökostrom-Vertretern. Mit „neuen, international beispiellosen Netztarifen, fehlender Planungssicherheit“ und mangelndem Schutz bestehender Investitionen sei das ElWG „das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen“, betonte die Geschäftsführerin des Verbands Erneuerbare Energie Österreich, Martina Prechtl-Grundnig.
// VON Klaus Fischer WENIGER