GAS. Im Fall eines sehr kalten Winters könnten die Gasspeicher im Deutschland bereits Ende Januar leer sein. Der Branchenverband Ines sieht die Bundesregierung am Zug.
Alarm nach der Entwarnung: Die Initiative Energien Speichern (Ines) rechnet damit, dass Deutschland im kommenden Winter das Gas ausgehen könnte. Derzeit seien rund 70
Prozent der deutschen Gasspeicher-Kapazitäten durch Marktakteure gebucht, berichtet die Organisation. Ein solcher Füllstand reiche nicht aus, „um die Gasversorgung in einem sehr kalten Winter zu gewährleisten“, so Ines in der neuen Version der „Gas-Szenarien“ vom 8.
Juli.
// VON Manfred Fischer MEHR...
Eine Woche ist es her, dass Energieministerin Katherina Reiche (CDU) die Alarmstufe im Notfallplan Gas aufgehoben hatte. Die Gasflüsse innerhalb Deutschlands und Europas seien stabil, es gebe derzeit keine Knappheit, begründete die Ministerin die Entscheidung.
Der Verband der Speicherbetreiber beobachtete gleichwohl eine „schleppende Befüllung“ der Gasspeicher. Bis Ende Juni habe der Füllstand nur 51
Prozent erreicht. „Eine vollständige Befüllung der Gasspeicher bis zum 1.
November 2025 ist bereits heute technisch nicht mehr möglich“, berichtet Ines.
Der marktwirtschaftlich erreichbare Füllstand von 70
Prozent reiche, wie Ines-Geschäftsführer Sebastian Heinermann erklärt, selbst dann nicht, „wenn die Gasspeicher in unseren Nachbarstaaten vollständig befüllt worden sind“. Einberechnet seien auch alle LNG-Terminals in Deutschland. „Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung Gas-Versorgungssicherheit im kommenden Winter vollständig gewährleisten wird“, sagt der Ines-Geschäftsführer. Heinermann weist die Bundesregierung darauf hin, dass ihr über das Gasspeichergesetz Instrumente zur Verfügung stehen, um den Füllstand zu erhöhen.
Reiche: Staatliche Befüllung nicht erforderlichDas Energieministerium (BMWE) sieht bis dato keinen Grund, einzugreifen. „Eine staatliche Befüllung der Speicher durch die Trading Hub Europe − den Marktgebietsverantwortlichen für den deutschen Gasmarkt − ist angesichts der aktuellen Lage nicht erforderlich“, sagte Reiche Anfang Juli. Sie betonte aber auch: „Wir werden weiter alles dafür tun, damit die Gasversorgung sicher bleibt.“
Ines beschreibt im aktuellen Bericht die möglichen Szenarien für den kommenden Winter so:
- Bei mittleren bis warmen Temperaturen würden die Gasspeicher „moderat bis umfangreich entleert“. In beiden Fällen ließe sich die gesetzliche Füllstandsvorgabe in Höhe von 30 Prozent am 1. Februar 2026 einhalten.
- Bei einem extrem kalten Winter würden die Speicher bereits Ende Januar 2026 entleert – eine vollständige Versorgung sei dann bei aktuellen Verbrauchsmustern nicht mehr möglich.
Die Vereinigung hatte schon einmal, im Mai, vor einer solchen Gasmangellage gewarnt (wir berichteten). Im langjährigen Mittel weisen die Gasspeicher im Juli einen Füllstand von rund 70
Prozent auf. Der Tiefststand lag in diesem Jahr im April bei knapp 29
Prozent. Im Mai wurden nach Angaben von Ines im Monatsmittel täglich
600
Millionen kWh eingespeichert, im Juni waren es 900
Millionen kWh pro Tag.
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Gasspeicher-Füllstände je nach Temperaturen im Winter nach Modellrechnungen im Juli Zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken Quelle: Ines |
Als Grund für die schleppende Einspeisung gilt der ungewöhnliche jahreszeitliche Verlauf der Gaspreise. Üblicherweise sind die Preise im Sommer niedriger als im Winter. In diesem Jahr liegen die Sommer- über den Winterpreisen. Die sogenannten Spreads haben sich zwar inzwischen etwas erholt, führen aber bei Speicherbetreibern nach wie vor zu Zurückhaltung.
Viel Luft bei LNG-TerminalsIm Frühjahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium (damals noch BMWK, jetzt BMWE) per Ministerverordnung die Senkung der Füllstandsvorgaben zum 1.
November für alle Kavernenspeicher von 90
Prozent auf 80
Prozent beschlossen. Für die übrigen Porenspeicher wurden die Vorgaben auf 45
Prozent abgesenkt, sodass im Durchschnitt aller Speicher nur noch 70
Prozent erreicht werden müssen.
Viel Luft nach oben haben nicht nur die Gasspeicher, sondern auch die LNG-Terminals. Branchenorganisationen beziffern die europaweiten Importkapazitäten im Juni auf 9,7
Milliarden kWh pro Tag. Davon wurden 4,4
Milliarden kWh genutzt. Im Mittel wurden von Juli 2024 bis Juni 2025 über europäische Importterminals LNG im Umfang von 3,9
Milliarden kWh pro Tag importiert. In Deutschland machten die Direkteinfuhren von Flüssigerdgas im Juni 300
Millionen kWh aus, die ungenutzten LNG-Terminalkapazitäten betrugen 400
Millionen kWh.
// VON Manfred Fischer WENIGER