GASKRAFTWERKE. Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW warnt vor hohen Kosten und Risiken durch geplante Gaskraftwerke und fordert technologieoffene Lösungen für die Versorgungssicherheit.
Die Bundesregierung plant den Bau neuer Großkraftwerke, die zunächst mit Erdgas betrieben werden sollen, um die Stromversorgung in Phasen sogenannter „Dunkelflauten“ sicherzustellen. Kritiker sehen darin jedoch einen teuren und langfristig riskanten Weg.
// VON Fritz Wilhelm MEHR...
„Diese Pläne sind überteuert und langwierig, zumal das Bundeswirtschaftsministerium bewährte, schneller verfügbare und nachhaltigere Alternativen außen vorlässt“, erklärt Christian Vossler, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). Der Verband verweist auf eine Studie von Frontier Economics, die unterschiedliche Optionen für Reservekapazitäten untersucht.
Matthias Janssen, Studienleiter bei der Beratungsgesellschaft, betont, eine Festlegung auf wenige Technologien berge Risiken. Deshalb empfehle man, auf technologieneutrale Fördermechanismen zu setzen. „So kann ein ausgewogener Mix an Lösungen rechtzeitig und effizient zur Verfügung stehen“, sagt Janssen. Eine breite technologische Basis ermögliche eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Umsetzung.
Lange Vorlaufzeiten und hohe SubventionenNach Einschätzung des LEE NRW geht die Bundesregierung mit ihrer Fixierung auf Großkraftwerke die Risiken von langen Vorlaufzeiten und hohen Subventionen ein. „Steckt die heimische Energieversorgung erst einmal in dieser Sackgasse, ist es zukünftig aufgrund der hohen Kosten für Großkraftwerke nicht mehr möglich, dynamisch auf Entwicklungen bei der Stromnachfrage, der Verfügbarkeit von Brennstoffen, Technologiekosten und Innovationen zu reagieren“, so Vossler.
Zugleich werde eine neue fossile Abhängigkeit erzeugt, die man nach den Erfahrungen mit russischen Gasimporten eigentlich vermeiden wollte.
Die Studie verweist auf zahlreiche Alternativen, die kurzfristig verfügbar oder bereits im Ausbau seien. Dazu gehören dezentrale Motoren und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK), bei denen durch den Einsatz von Speichern eine Entkopplung von Wärme und Strom möglich ist. Außerdem bestehe die Möglichkeit, später auf grünen Wasserstoff umzurüsten.
Darüber hinaus bieten bestehende Biomasse- und Biogasanlagen nach Angaben des LEE NRW ein erhebliches Potenzial. Durch Umbauten mit größeren Gasspeichern und leistungsstärkeren Motoren könnten aus dem heutigen Bestand von etwa sechs Gigawatt bis zu 24 Gigawatt flexible Leistung für Spitzenzeiten bereitgestellt werden. Auch Batteriespeicher gelten als unverzichtbarer Bestandteil des künftigen Energiesystems. Deren kurzfristiges Potenzial schätzen der Verband und die Berater auf 15 bis 24 GW bis 2030. Zudem nehme die Entwicklung von Langzeitspeichern an Fahrt auf. Allerdings müssten die Netzanschlussverfahren noch vereinfacht werden.
Eine weitere Option ist die Flexibilisierung der Stromnachfrage. Industrie und Gewerbe könnten durch Lastverschiebungen zur Versorgungssicherheit beitragen. Das Potenzial liege zwischen 6 und 21 Gigawatt. Hinzu kommen flexible Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen und Power-to-Heat-Anwendungen.
Zusammengenommen lassen sich laut Studie bereits bis 2030 substanzielle Beiträge im zweistelligen Gigawattbereich erreichen. „Der Großkraftwerksbedarf ist deutlich geringer als behauptet“, resümiert Vossler. Fraglich erscheine auch der Zeitplan der Bundesregierung, bis 2030 alle neue Gaskraftwerke ans Netz zu bringen. Lange Lieferzeiten für Turbinen könnten die Vorhaben verzögern.
Sollten Ausschreibungen stattfinden, empfiehlt die Studie, die nachgefragte Kapazität so gering wie möglich anzusetzen und die Verfahren technologieoffen zu gestalten. So ließen sich Geschwindigkeits- und Kostenvorteile kleinerer Anlagen nutzen.
Für den LEE NRW steht fest, dass Technologieneutralität entscheidend ist, um Kosten zu senken und die Energiewende zu beschleunigen. Sollte die Bundesregierung an ihrem Kurs festhalten, sieht der Verband die Gefahr einer erheblichen Bremswirkung für den weiteren Umbau des Energiesystems.
Die Studie von Frontier Economics mit dem Titel
„Kraftwerksstrategie: Festlegung auf Gas oder Technologiemix?“ steht zum Download zur Verfügung.
// VON Fritz Wilhelm WENIGER