STROMNETZ.
Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet mahnt Reformen bei den Regeln für Netzzugänge an. Ein Positionspapier soll zeigen, an welchen Hebeln anzusetzen ist.
Speicher bieten ein großes Potenzial für die Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch. Sie gelten als wesentlicher Erfolgsfaktor für die Integration der erneuerbaren Energien ins Stromnetz und für dessen Stabilisierung. Nachdem nun immer mehr Großspeicherprojekte geplant werden und einen Netzanschluss begehren, schlagen die Netzbetreiber Alarm.
// VON Fritz Wilhelm
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„Der enorme Ansturm auf Netzanschlüsse – vor allem durch Batteriespeicher – zeigt, dass die aktuellen Regeln nicht mehr zur Realität des Energiemarkts passen“, sagt Tim Meyerjürgens. Der CEO des Übertragungsnetzbetreibers Tennet malt ein düsteres Szenario an die Wand. Ohne Reformen drohe der Zugang zum Stromnetz zum Engpass zu werden.
Denn nicht nur Speicher, sondern auch systemrelevante Kraftwerke, Rechenzentren und die Industrie benötigen einen direkten Zugang zum Netz. Angesichts des regelrechten Ansturms auf die Netzanschlusskapazitäten, seien dringend neue Anschlussverfahren, smarte Lösungen zur Ressourcennutzung und mehr Flexibilität bei Planung und Ausbau der Umspannwerke als zentrale Drehkreuze vonnöten, so Meyerjürgens. Andernfalls sei mit negativen Konsequenzen für die Versorgungssicherheit und den Wirtschaftsstandort zu rechnen.
Deshalb präsentiert Tennet in einem Positionspapier eine Reihe von Vorschlägen, um – wie der Titel des fünfseitigen Papiers heißt – „Politische Impulse zur Weiterentwicklung des Netzanschlussprozesses“ zu setzen.
Es müsse möglich sein, bestimmte Kundengruppen bei Netzanschlüssen zu priorisieren. Neue steuerbare Kraftwerke, netzdienliche Lasten oder netzdienliche Speicher seien Beispiele dafür. Zeitnah müsse ein neues Netzanschlussverfahren etabliert werden, das eine volkswirtschaftlich sinnvolle, ausgewogene und effiziente Allokation der begrenzten Ressourcen erlaubt. Dafür seien allerdings transparente Kriterien notwendig, damit der Übertragungsnetzbetreiber vom Windhundprinzip abweichen und „diskriminierungsfrei differenzieren kann“, schreiben die Verfasser des Papiers.
Priorisierung von SpeichernFür Batteriespeicher müssen nach Ansicht von Tennet kurzfristige Lösungen geschaffen werden – zumindest dann, wenn nicht alle Kundengruppen gemeinsam in den Genuss einer neuen Regelung kommen können. Denn hier sieht der Übertragungsnetzbetreiber den größten Handlungsbedarf. Tennet weist darauf hin, dass die für Batteriespeicher im Netzanschlussverfahren genutzte Verordnung zur Regelung des Netzanschlusses von Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie (KraftNAV) ursprünglich als Individualprozess für Kraftwerke ausgelegt war. Der Verordnungsgeber sei damals im Jahr 2007 von rund zehn Kraftwerken pro Jahr für alle Regelzonen insgesamt ausgegangen.
Außerdem sollte eine Fortführung der Netzentgeltbefreiung von Batteriespeichern über 2029 hinaus „dringend an Netzdienlichkeitskriterien, beispielsweise über flexible Netzanschlussverträge geknüpft werden“. Eine „bedingungslose Netzentgeltbefreiung“ sei nicht mehr zeitgemäß. Um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie eine solche Regelung aussehen könnte, empfiehlt Tennet einen Blick in die Niederlande, wo Netzkunden 45
Prozent Rabatt auf die Netzentgelte erhalten, wenn sie sich in 15
Prozent aller Stunden Restriktionen für den Leistungsbezug vorgeben lassen. Darüber hinaus plädiert der Übertragungsnetzbetreiber für eine verpflichtende Einführung flexibler Netzanschlussverträge. Damit sei eine bessere Auslastung der Netzanschlüsse möglich.
Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Absicherung und den planungsrechtlichen Schutz von Flächen rund um Umspannwerke. So könnten Netzbetreiber im Bedarfsfall schnell erweitern.
Zudem sollte es Netzbetreibern ermöglicht werden, bei Neubauten oder Erweiterungen von Umspannwerken zusätzliche Schaltfelder vorzusehen, und zwar über das Maß hinaus, was im Moment als „bedarfsgerecht“ angesehen wird. Eine Differenzierung des Baukostenzuschusses nach Kundengruppen soll einen Anreiz setzen, dass sich zum einen auch im Süden Deutschlands eine gleichmäßige Verteilung von Speichern und im Norden von stromintensiven Kunden ergibt.
Schließlich plädiert Tennet dafür, dass die Mehrfachnutzung von Netzanschlusspunkten stärker gefördert und dass eine netzübergreifende Anschlussplanung auf regionaler Ebene eingeführt wird. „Es ist wichtig, dass alle politischen Ebenen – von der kommunalen Verwaltung bis zur EU-Kommission – gemeinsam an Lösungen für diese Herausforderung arbeiten“, betont Meyerjürgens.
Das Positionspapier mit dem Titel „
Politische Impulse zur Weiterentwicklung des Netzanschlussprozesses“ steht auf der Internetseite von Tennet zur Verfügung.
// VON Fritz Wilhelm
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