BILANZ. In Mühldorf am Inn ist die Lokalpolitik aufgeschreckt. Die Stadtwerke sollen im Jahr 2022 rund 7 Millionen Euro Verlust eingefahren haben. Der Bürgermeister wehrt sich gegen Vorwürfe.
Am 28. August ist Tag der Abrechnung. So erhoffen es sich zumindest Abgeordnete von CSU, SPD und Grünen im Stadtrat von Mühldorf am Inn. Dann kommt es bei einem Sondertreffen mit dem Geschäftsführer und dem Aufsichtsratschef der Stadtwerke, Alfred Lehmann und Erstem Bürgermeister Michael Hetzl (parteilos), zur Aussprache über einen Millionenverlust des bayerischen Versorgers.
// VON Volker Stephan MEHR...
Ein Minus von 7 Millionen Euro steht für das Geschäftsjahr 2022 im Raum. Für die Stadtwerke, die Gewinne in sechs- bis siebenstelliger Höhe einzufahren gewohnt sind, ist dies eine bittere Pille. Wie bitter, darüber versuchen die verschiedenen Parteien aktuell die Deutungshoheit zu gewinnen.
Noch gibt es für die Jahre ab 2022 keine testierten Abschlüsse. Teile der Lokalpolitik werfen dem Bürgermeister angesichts des massiven Verlusts und der ausbleibenden Unterrichtung mangelnde Transparenz vor. Der wiederum weist Vorwürfe der „Vertuschung“ empört zurück, wie ein Sprecher der Stadt Mühldorf auf Anfrage dieser Redaktion ausrichtet.
Der Ton vor den Kommunalwahlen im März wird rauerDie Emotionen kochen auf beiden Seiten hoch, und das interessierte Publikum ahnt, dass es im Vorfeld der Kommunalwahlen (März 2026) nicht nur um die Stadtwerke, sondern auch um Ansehen und Siegchancen im Chemiedreieck östlich von München geht. Mit „Wahlkampfscharmützel“ hat Bürgermeister Hetzl die öffentliche Kritik an ihm abgekanzelt. Er spricht von einem „durchschaubaren“ Versuch, Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Stadtwerke zu säen. Dadurch wäre auch der allgemeine Wunsch, ein neues Hallenbad zu bauen, auf einmal ein Streitthema.
Die besagten Ratsfraktionen sind in Aufruhr, weil sie durch eigene Recherchen im Bundesanzeiger den 2022er-Verlust aufgedeckt haben wollen. Bei einem solchen Minus, so heißt es, sei eine Information durch den Aufsichtsrat und/oder die Stadtspitze zwingend erforderlich. Es gebe „deutliche Anzeichen“ dafür, dass die Info über den Verlust dem Stadtrat „bis heute bewusst“ vorenthalten worden sei.
Ihrem Ansinnen wollten sie eigentlich durch eine Sondersitzung des Rats Nachdruck verleihen. Allerdings prallte der Antrag ab, die Verwaltung machte Formfehler geltend – es mangele an der erforderlichen Anzahl an Unterschriften.
Der Bürgermeister sieht sich in dieser Sache als Brückenbauer. Es kommt nun am 28. August doch zu einer Zusammenkunft – zwar nicht in Form einer Sondersitzung des Rats, sondern nach dem grünen Licht des Aufsichtsrates zu einer informellen Informationssitzung. Im Anschluss sei nicht daran gedacht, an die Öffentlichkeit zu treten, so der Stadtsprecher auf Nachfrage. Der Bürgermeister zieht sich auf formale Zwänge zurück. Die Stadtwerke berichten als GmbH dem Stadtrat in dem Moment, „sobald testierte Jahresabschlüsse vorliegen“. Dies „ist und bleibt bewährte Praxis“.
Der Stadtwerke-Geschäftsführer sieht die extrem hohen Beschaffungskosten für Strom als Grund, sein Unternehmen habe mehr Haushaltskunden als geplant in die Grundversorgung nehmen müssen. Das „führte erstmalig zu einem negativen Jahresergebnis“, so Alfred Lehmann.
Politik verlangt mehr Einblick in die FinanzenDass seit 2022 keine begutachteten Bilanzen vorliegen, sorgt ebenfalls für Missstimmung. Offen sei der Abschluss auch, schiebt das Rathaus nach, weil es einen noch ungeregelten Versicherungsschaden gebe, über den die Stadtwerke mit einer Assekuranz Konsens erzielen wolle. Es solle sich um einen Schaden in relevanter Größenordnung handeln, mehr verriet der Stadtsprecher nicht.
Während Lehmann das Jahresergebnis aktuell mit dem beauftragten Wirtschaftsprüfer feststelle, spricht Bürgermeister Hetzl von einem „derzeit ausgewiesenen Fehlbetrag von rund 7 Millionen Euro“, der sich „noch verändern“ könne. Um sodann darauf zu verweisen, dass der Versorger in den Jahren um 2022 herum Speck angefuttert habe: Die Gewinne betrugen demnach 2019 rund 1,4 Millionen Euro, 2020 und 2021 jeweils etwa 600.000 Euro und für 2023 seien rund 2,8 Millionen Euro zu erwarten.
Die Lokalpolitik verlangt ferner Aufklärung darüber, wie die Stadtwerke das Minus auffingen. Auch hier argwöhnen die Fraktionen, ihnen hätte eine Info über einen aufgenommenen Millionenkredit zugestanden. Dazu heißt es aus dem Rathaus, die Stadtwerke verbuchten ihre jährlichen Gewinne und Verluste selbst. Sie alleine trügen einen Verlust. Falls öffentlich der Eindruck entstehe, die städtischen Finanzen und damit die Steuerzahlungen der Mühldorfer Bevölkerung seien betroffen oder gefährdet: „Das ist mitnichten der Fall“, so die Rathausspitze.
Und das neue Hallenbad, lässt der Bürgermeister ausrichten, sei im Übrigen nicht in Gefahr: „Die Stadtwerke können dieses Projekt problemlos stemmen.“ So oder so – es dürfte ein spannender Kommunalwahlkampf in Mühldorf werden.
// VON Volker Stephan WENIGER