Schon im September soll neu über das CO2-Minderungsziel der Europäischen Union entschieden werden. Die EU-Kommission hatte Anfang Juli vorgeschlagen, die Treibhausgase der EU bis 2040 um 90
Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Davon könnten 3
Prozent (des Ausstoßes im Jahr 1990) auch außerhalb der EU erbracht werden. In Brüssel denkt man darüber nach, internationale Zertifikate zu erwerben, die den Anforderungen von Artikel
6 des Pariser Abkommens genügen. Die Emissionen innerhalb der EU könnten dann entsprechend höher ausfallen. In Brüssel sieht man darin auch einen Beitrag zur Entwicklung eines globalen Emissionshandels.
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Die Zeit drängt, denn am Klimaziel für 2040 soll sich auch das Klimaziel für 2035 orientieren, das die EU bis Ende September beim Klimasekretariat der UN anmelden will. Es soll die anderen Vertragsstaaten des Klimaabkommens motivieren, sich mehr
Klimapolitik als bisher vorzunehmen. Die Verhandlungen darüber stehen auf der Tagesordnung der nächsten Klimakonferenz im November.
Ob Klimakommissar Wopke Hoekstra mit einem offiziell beschlossenen Klimaziel zur Klimakonferenz Cop
30 fahren kann, ist aber nicht sicher. Denn der Vorschlag der Kommission trifft im Europäischen Parlament und im Ministerrat auf Widerstand. Seine Regierung werde den „unrealistischen“ Vorschlag der Kommission nicht unterstützen, sagt der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala.
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Tom Weingärtner Quelle: E&M |
Fiala befindet sich zwar im Wahlkampf, aber auch Polen und andere Staaten halten eine Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes um 90
Prozent für eine wirtschaftspolitische Hypothek, die sich die EU nicht leisten könne. Der französische Präsident Emmanuel Macron will darüber zumindest ausführlich diskutieren.
Ob sich die Umweltminister über das neue Klimaziel, wie von der dänischen Ratspräsidentschaft geplant, am 18.
September einig werden, ist deshalb fraglich. Zumal die Kritiker darauf verweisen können, dass die Kommission bislang nicht untersucht hat, welche Folgen der Rückgriff auf Artikel
6 des Klimaabkommens für die Industrie und die Glaubwürdigkeit der europäischen Klimapolitik haben würde.
Wissenschaftlicher Beirat greift Net-Zero Industry Act anDie EU-Klimapolitik dürfte auch Gegenstand der deutsch-französischen Regierungskonsultationen am 29.
August sein. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums hat dem Kanzler eine Reihe von guten Ratschlägen mit auf den Weg an die Cote d’Azur gegeben. Deutschland solle die nach der sogenannten Netto-Null-Verordnung (NZIA) angestrebte Quote von 40
Prozent des Bedarfs an klimafreundlichen Technologien, die innerhalb der EU produziert werden sollen, ignorieren. Eine solche Quote sei weder klimapolitisch noch für eine sichere Versorgung sinnvoll.
Der Beirat warnt auch davor, den Wettbewerb gegen vermeintlich klimapolitische Vorteile auszuspielen. Das beste klimapolitische Instrument sei der Emissionshandel. Zusätzliche Maßnahmen würden die Transformation der EU-Wirtschaft nur teurer machen.
Eine Ausnahme machen die Experten mit Blick auf den Klimazoll der EU (CBAM). Der schütze die europäischen Unternehmen nur vor Konkurrenz auf dem europäischen Markt. Für Exporte nach Drittstaaten seien andere Instrumente notwendig.
DNR, Klimaallianz und andere Umweltverbände haben an den Kanzler und den Präsidenten appelliert, sich für ein anspruchsvolles Klimaziel einzusetzen. Die Senkung der Treibhausgase um 90
Prozent müsse innerhalb der EU erbracht und dürfe nicht durch Verlagerungen ins Ausland verwässert werden.
Oder eigenes CO2 zurückholenIn der Kommission werden inzwischen neue Pläne für den Ankauf von Emissionsrechten geschmiedet, dieses Mal innerhalb der EU. Um Anreize für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre (CO2 Removals
/ CDR) zu schaffen, könnte die EU zertifizierte CDR aufkaufen. Die Generaldirektion Klima hat in dieser Woche drei Berichte dazu vorgelegt.
CDR in großem Umfang seien mittelfristig unverzichtbar, um die EU klimaneutral zu machen, heißt es in dem Bericht. Die entsprechenden Technologien müssten deswegen „schnell und kosteneffektiv“ ausgerollt werden. Die notwendigen Investitionen scheiterten bislang an mangelnder Nachfrage.
Ein Ankaufprogramm durch einen „Removal Fund“ für die nächsten fünf Jahre könne hier Abhilfe schaffen. Denkbar seien auch die Gründung einer „Carbon Central Bank“ oder andere Finanzierungsinstrumente, um das Programm umzusetzen. Im EU-Haushalt ist dafür kein Geld vorgesehen. Mittelfristig könnten die CDR-Zertifikate aber in den Emissionshandel einbezogen werden.
// VON Tom Weingärtner WENIGER