POLITIK.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat in Berlin den Monitoringbericht zur Energiewende vorgestellt und daraus zehn wirtschaftsorientierte Maßnahmen abgeleitet.
Am 15. September hat die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) in Berlin den neuen Monitoringbericht zur Energiewende präsentiert. Der Bericht wurde von den Instituten BET (Aachen) und EWI (Köln) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) erstellt und umfasst 260 Seiten.
// VON Susanne Harmsen
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Für BET stellte ihn Alexander Kox vor, für das EWI Philipp Kienscherf. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Analyse skizzierte Reiche zehn Schlüsselmaßnahmen, die nach ihrer Einschätzung notwendig sind, um die Energiewende wirtschafts- und wettbewerbsfreundlich weiterzuführen. Reiche betonte, dass am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 festgehalten werde.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei bereits weit vorangeschritten. Fast 60 Prozent des Stroms würden mittlerweile aus Wind, Sonne und Biomasse gewonnen. Zugleich stehe die Energiewende jedoch an einem Scheideweg, weil die Kosten aus dem Ruder liefen. Die Ministerin will daher Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit in den Mittelpunkt rücken. „Energiepolitische Entscheidungen dürften nicht zu Fehlinvestitionen führen, sondern müssten auf Marktmechanismen, Technologievielfalt und Innovation setzen“, sagte Reiche.
Zehn Maßnahmen vorgeschlagenZu den
vorgeschlagenen Maßnahmen gehören eine realistische Bedarfsermittlung, die systemdienliche Förderung erneuerbarer Energien sowie ein stärkerer Fokus auf Flexibilität und Digitalisierung im Stromsystem. Auch fordert Reiche die Einführung eines technologieoffenen Kapazitätsmarkts, eine Überprüfung von Förderregimen und eine systematische Senkung von Subventionen. Weitere Punkte sind der pragmatische Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, eine forschungsorientierte Innovationspolitik sowie die Etablierung von CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCS/CCU) auch für Kraftwerke als Klimaschutztechnologie.
Die Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke würden Ende dieses Jahres beginnen. Diese sollen Kohlekraftwerke ersetzen, in Zeiten, da Sonne und Wind ausbleiben. Es bleibe beim Ausbauziel von 80 Prozent erneuerbarerer Stromerzeugung bis 2030, allerdings werde der Strombedarf von heute 510 Milliarden kWh auf nur 600 bis 700 Milliarden kWh steigen, daher könne der Ausbau langsamer geschehen. Er soll auch mit dem Netzausbau Schritt halten. Ein Kapazitätsmarkt soll ab 2027 flexible Erzeugung und Verbrauch von Strom steuern, kündigte Reiche an.
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Stromgestehungskosten verschiedener Technologien Stand 2025. Zur Vollansicht bitte auf die Tabelle klicken Quelle: EWI |
Freileitungen statt ErdverkabelungDer Bericht enthält Analysen zu Strombedarf, Netzausbau und Kostenentwicklungen. Demnach können etwa Freileitungen bei neuen Netzausbauprojekten zu erheblichen Einsparungen führen. Reiche machte zugleich deutlich, dass die hohen Energiepreise die deutsche Wirtschaft belasteten. Deshalb müsse der Ausbau der Erneuerbaren künftig stärker gesteuert werden.
Für PV-Aufdachanlagen mit Speicher will sie die Förderung abschaffen, „da sie sich schon heute durch den billigeren Eigenstrom rechnen“, begründete Reiche. Insgesamt soll die Förderung erneuerbarer Energien, wie von der EU gefordert, auf Contracts for Difference (CFD, Differenzverträge) umgestellt werden, kündigte sie an.
Vielfache Kritik an Reiches PlänenDie Vorschläge stießen unmittelbar auf Kritik. Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der
Grünen, erklärte, die Ministerin wolle die Energiewende abbremsen. Der Monitoringbericht selbst empfehle, die erfolgreiche Politik ihres Vorgängers fortzuführen. Klimaschutz werde von der Regierung untergraben, so Kellner. Angesichts steigender Stromnachfrage durch Elektromobilität, Rechenzentren und Industrie brauche es vielmehr einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien.
Die
Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte Reiches Vorschläge als „fossile Agenda“. Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner warf der Ministerin vor, die Empfehlungen der Wissenschaft nicht ernsthaft aufzugreifen. Der geplante Kapazitätsmarkt öffne fossilen Kraftwerken neue Chancen, während die Senkung von Subventionen aus Sicht der DUH wichtige Förderprogramme gefährde. CCS/CCU als Klimaschutztechnologie zu etablieren, sei zudem riskant.
Mira Jäger,
Greenpeace-Expertin für Klima und Energie, warnt vor Rückschritten in der deutschen Energiepolitik. Die Bundesregierung ignoriere die langfristigen Kosten und Klimaschäden. Die Bundesregierung arbeite mit einem Bilanztrick, indem der Energiebedarf kleingerechnet wird, um das Ziel, 80 Prozent erneuerbaren Stromverbrauch bis 2030, weiterhin zu halten. „Um die deutschen und europäischen Klimaziele zu erreichen, müssen aber Wärmepumpen, Elektromobilität und Elektrifizierung der Industrie massiv ausgebaut werden, was den Strombedarf erhöht“, erinnerte Jäger.
Der
Monitoringbericht zur Energiewende steht als PDF zum Download bereit.
// VON Susanne Harmsen
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