Die Pläne, den Emissionshandel für den Verkehr und den Gebäudesektor („ETS 2“) noch vor der Einführung 2027 zu entschärfen, werden immer konkreter.
// VON Tom Weingärtner MEHR...
Die Abgasgrenzwerte für neue Autos, sagt der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU), seien nur eine Marginalie, wenn es um den Klimaschutz gehe. Viel wichtiger sei es, den Autoverkehr insgesamt in den Emissionshandel einzubeziehen. Denn dann müssten auch die Besitzer von Altfahrzeugen darüber nachdenken, wie sie ihren CO2-Ausstoß reduzieren.
Sein grüner Kollege, Michael Bloss, widerspricht: Ohne die Begrenzung der Abgase von Neuwagen werde der Preis im ETS 2 sehr schnell „durch die Decke“ gehen. Darunter würden vor allem die einkommensschwachen Haushalte leiden – und die Akzeptanz der Klimapolitik.
Die europäischen Grünen und Liberalen setzen deswegen mehr darauf, die Emissionen durch Vorschriften zu begrenzen. Dem halten die Konservativen entgegen, dass auch die Einhaltung von Vorschriften Kosten verursacht. Klimaschutz sei in jedem Fall mit Kosten verbunden, auch für die einkommensschwachen Haushalte.
Die traditionellen Parteien im Europäischen Parlament, von den deutschen Konservativen bis zur finnischen Linken, machen sich keine Illusionen: die direkte Belastung von Kraftstoffen und Brennstoffen für die Heizung durch einen CO2-Preis wird in vielen Haushalten auf wenig Begeisterung stoßen. Vor allem in den osteuropäischen EU-Staaten, wo weniger verdient wird als im Norden und Westen der Union, könnten viele Wähler mit den höheren Preisen überfordert sein.
17 Abgeordnete des Europaparlamentes, darunter Liese und Bloss, wollen es darauf nicht ankommen lassen. Sie wollen die geplanten Ausgleichsmaßnahmen ausweiten und vorziehen. Bislang sind dafür im Klimasozialfonds (SCF) 86 Milliarden Euro vorgesehen. Der SCF wiederum wird aus den Einnahmen finanziert, die im Rahmen des ETS2 entstehen. Vier Milliarden Euro davon sollen bereits 2026 zur Verfügung stehen.
Die Abgeordneten wollen diese Abfederung intensivieren. In einem Brief an die EU-Kommission verlangen sie, Mittel aus dem SCF bereits Ende 2025 bereitzustellen. Damit sollen die Mitgliedsstaaten in die Lage versetzt werden, bereits im Laufe des kommenden Jahres Maßnahmen zu ergreifen, die besonders betroffene Gruppen entlasten. Die bislang vorgesehenen vier Milliarden Euro reichten dafür nicht aus.
Weil das Geld im Haushalt des nächsten Jahres nicht vorgesehen ist, soll die Kommission Kredite aufnehmen und das Geld den Mitgliedsstaaten für „Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, die Gebäudesanierung und emissionsfreie Mobilität“ zur Verfügung stellen. Die Kredite könnten später durch die Einnahmen aus dem ETS2 verzinst und getilgt werden.
19 Regierungen schlagen Änderungen beim ETS 2 vorAuch in den Mitgliedsstaaten fürchtet man um die Akzeptanz der europäischen Klimapolitik. 19 Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, wollen allerdings noch weiter gehen als die Abgeordneten. In einem „Non-Paper“ schlagen sie Änderungen bei der Einführung des ETS 2 vor, die vor allem auf eine stärkere Kontrolle des CO2-Preises abzielen.
Ohne Änderung der bestehenden Rechtslage könnte die Kommission bereits im Vorfeld für mehr Transparenz sorgen. Bessere Informationen zum Beispiel über den Verkauf von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen oder die Renovierung von Gebäuden würden bessere Prognosen über die Entwicklung des Preisniveaus im ETS 2 möglich machen.
Darüber hinaus können sich die meisten Mitgliedsstaaten vorstellen, den Handel selbst flexibler zu gestalten. Dafür müsste die Kommission Änderungen an der ETS-Richtlinie vorschlagen, die vom Parlament und vom Ministerrat gebilligt werden müssten. In dem Non-Paper werden vier solche Änderungen angeregt, die vor allem bei der Einführung des ETS2 zum Tragen kommen würden. So sollten erste Emissionsrechte bereits im nächsten Jahr versteigert werden, um den Markt besser einschätzen zu können.
Die Marktstabilisierungsreserve (MSR), mit der die Kommission in den Handel eingreifen und den Preis stabilisieren kann, sollte nicht nur ausgeweitet, sondern auch flexibler gehandhabt werden. Außerdem sprechen sich die Mitgliedsstaaten dafür aus, die MSR auch nach 2031 beizubehalten. Die Kommission sollte außerdem klarstellen, dass sie bereit ist, in den Handel einzugreifen, um Preisspitzen abzuwenden.
Liese plädiert dafür, den Forderungskatalog der 19 Mitgliedsstaaten zügig umzusetzten. In Brüssel ist es kein Geheimnis, dass sich insbesondere Polen und Tschechien noch weitergehende Eingriffe in das ETS2 vorstellen können. Die polnische und die tschechische Regierung haben das „Non-Paper“ zwar mit eingebracht, wären aber nicht unglücklich, wenn das ganze Projekt des ETS2 verschoben würde.
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Tom Weingärtner Quelle: E&M |
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