WASSERSTOFF. Eine neue Kurzstudie des DVGW warnt vor Verzögerungen beim Aufbau von Wasserstoffspeichern. Ohne klare Regeln drohen Engpässe im Energiesystem − und die Zeit drängt.
Die Rolle von Wasserstoffspeichern rückt der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) ins Zentrum der Energiewende. In einem zunehmend fluktuierenden Energiesystem seien sie der Schlüssel für die Versorgungssicherheit, heißt es in einer am 22.
Oktober vorgestellten Kurzstudie. Der DVGW hat sie mit dem Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erarbeitet.
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„Untergrundspeicher sichern die Versorgung zu jeder Zeit im Jahresverlauf ab, sowohl saisonal als auch tageszeitlich“, betonte Gerald Linke. Laut dem Vorstandvorsitzenden des DVGW sind Wasserstoffspeicher die „entscheidende Flexibilitätsoption“ für das künftige Energiesystem. Die Schwankungen von Angebot und Nachfrage bei Erneuerbaren erforderten flexible Speicherlösungen, um Stromüberschüsse in Form von Wasserstoff zwischenzuspeichern und bei Bedarf wieder zu nutzen.
Deutschland habe über rund 44 Untergrundgasspeicher mit einer Gesamtkapazität von etwa 250
Milliarden kWh für Erdgas. Damit liege ein Viertel der Speicherkapazität in der EU in Deutschland. Diese Speicher sollen in den kommenden Jahren schrittweise auf Wasserstoff umgestellt werden.
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Kurzstudie Wasserstoffspeicher: Potenziale, Herausforderungen und Ausblick (zum Öffnen bitte auf die Grafik klicken) Quelle: DVGW / Engler-Bunte-Institut |
Der DVGW hält das technische Potenzial für grundsätzlich hoch. Rein theoretisch ließe sich durch eine vollständige Umrüstung der Erdgasspeicher ein Speichervolumen von rund 50
Milliarden kWh erschließen. In der Praxis dürfte dieses Potenzial aber geringer ausfallen, da eine Umstellung auf Wasserstoff je nach geologischen Bedingungen nicht an allen Standorten möglich sei. Den Wasserstoffs
peicherbedarf bis 2045 beziffert der Verband mit bis zu 94
Milliarden kWh.
Vor diesem Hintergrund seien zusätzliche Neubauten erforderlich, insbesondere im Norden Deutschlands, wo sich viele geeignete Salzformationen befinden. Der DVGW geht davon aus, dass der Bau eines neuen Kavernenspeichers bis zu elf Jahre dauern kann, während die Umstellung bestehender Anlagen etwa sechs Jahre beansprucht.
Der Zeit- und Geldfaktor als ProblemVerzögerungen bei Planung und Genehmigung könnten den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft weiter ausbremsen. Daher fordert der Verband, bestehende Genehmigungen bei der Umstellung von Erdgasspeichern auf Wasserstoff fortgelten zu lassen. Auch sollten regulatorische Vorgaben und Sicherheitsanforderungen früh geklärt werden, um Investoren Planungssicherheit zu geben.
Auch der Faktor Geld sorge für einen Engpass: So liegt der Investitionsbedarf für den Neubau von Wasserstoff-Kavernenspeichern laut Studie zwischen 229 und 900
Euro je Megawattstunde Kapazität. Wie wirtschaftlich die Anlagen arbeiten, hänge stark von der Auslastung und der Zahl der jährlichen Speicherzyklen ab. Hinzu kommen Unsicherheiten bei den Wasserstoffpreisen, die das Investitionsrisiko erhöhen. „Noch ist unklar, wie sich Markt und Preise entwickeln“, erklärt Linke. Das hemme die Investitionen.
Erforderliche Gasqualität noch ungeklärtDer Verband hebt zudem hervor, dass die Anforderungen an die Gasqualität für Wasserstoffspeicher noch nicht endgültig geregelt sind. Sollte die Reinheit über 99
Prozent liegen müssen, würde dies die technischen Anforderungen und Kosten deutlich erhöhen. Auch die Erstbefüllung der Speicher mit Kissengas gilt als kostenintensiv. Kissengas ist der Anteil des Gases, der dauerhaft im Speicher verbleibt, um den nötigen Druck und die Stabilität des unterirdischen Hohlraums aufrechtzuerhalten. Der DVGW verlangt nach transparenten Vorgaben auf nationaler und europäischer Ebene.
Trotz all dieser Herausforderungen sieht der Verband in den Untergrundspeichern einen entscheidenden Hebel für die Energiewende. Deutschland könne durch seine geologischen Voraussetzungen und vorhandene Infrastruktur eine zentrale Rolle für die europäische Versorgung mit Wasserstoff einnehmen. Wichtig sei, die Kapazitäten gezielt dort auszubauen, wo sie für die Stabilität des Gesamtsystems entscheidend sind – etwa in Regionen ohne geeignete Salzformationen für Kavernenspeicher. In Süddeutschland etwa müsse der Fokus stärker auf den geologisch vorhandenen Porenspeichern liegen.
„Nur wenn wir heute handeln, sichern wir die Energieversorgung von morgen“, betonte Linke. Die Studie wolle sein Verband als Weckruf an Politik und Wirtschaft verstanden wissen, die Rahmenbedingungen für den schnellen Ausbau zu schaffen. Eine koordinierte Speicher- und Netzplanung solle dafür sorgen, dass Wasserstoff nicht nur produziert, sondern auch verlässlich gespeichert werden kann.
Die zwölfseitige Kurzstudie
„Wasserstoffspeicher: Potenziale, Herausforderungen und Ausblick“ ist über die Internetseite des DVGW downloadbar.
// VON Davina Spohn WENIGER