WASSERSTOFF. Die Knappheit an Wasserstoff-Tankstellen treibt in Westfalen seltsame Blüten. In Bielefeld dürfen nicht alle kommunalen Töchter die Zapfanlage der Stadtwerke nutzen, in Hamm schon.
Die Bürokratie kennt manchmal keine Gnade. In Ostwestfalen macht eine Wasserstoff-Tankstelle einen Unterschied zwischen Fahrzeugen der „Mobiel“-Verkehrstochter und den Müllwagen des ebenfalls kommunalen Umweltbetriebs der Stadt Bielefeld (UWB). Die aus aktuell 29 Brennstoffzellen-Bussen bestehende ÖPNV-Flotte bekommt das Gas für den Antrieb, die sieben Abfallautos erhalten es nicht.
// VON Volker Stephan MEHR...
Der Grund für die Ungleichbehandlung liegt in der noch jungen Entstehungsgeschichte der Tankstelle. Die Stadtwerke Bielefeld hatten für die 2022 errichtete Anlage reichlich Fördergeld bekommen, insgesamt 90 Prozent flossen aus dem Säckel des Landes Nordrhein-Westfalen in das Projekt.
Der Versorger hatte sich aus verschiedenen Fördermodellen für den hohen Mittelzufluss entschieden. Und darin liegt die Tücke: 90 Prozent aus Regionalisierungsmitteln bekommt nur, wer den Nutzerkreis der Tankstelle auf Anbieter des öffentlichen oder des Schienenpersonennahverkehrs (ÖPNV/SPNV) beschränkt. Das ist bundesrechtlich festgelegt.
NRW-Umweltminister will den bürokratischen Knoten durchschlagenSchon heute begeben sich die Bielefelder Müllwerker daher auf einen langen Weg, um aufzutanken. Der führt sie eben nicht in den „Innovationspark Sektorenkopplung“ an der Bielefelder Müllverbrennungsanlage, wo die Stadtwerke sukzessive den lokalen H2-Hub errichten. Sondern nach Rheda-Wiedenbrück – was gut 30 Straßenkilometer entfernt liegt.
Absurde Züge nimmt die Situation nun an, weil das Netz der Wasserstoff-Tankstellen im kommenden Jahr ausdünnt. Das Unternehmen H2 Mobility hatte angekündigt, Standorte zu schließen und sich auf wirtschaftliche Anlagen konzentrieren zu wollen (wir berichteten). Und die Wasserstoff-Anlage in Rheda-Wiedenbrück zählt zu jenen, die schließt.
Technisch wäre es in Bielefeld überhaupt kein Problem, alle Wasserstoff-Laster der öffentlichen Hand an der Stadtwerke-Tankstelle zu versorgen. Auch mengenmäßig droht keine Knappheit, weil im nächsten Schritt der eigene 1-MW-Elektrolyseur im Innovationspark entstehen soll und ab
Herbst 2026 nennenswerte Mengen des grünen Gases produzieren wird.
Die Tankstelle soll nach den Planungen rund 400 Kilogramm Wasserstoff pro Tag (etwa 140.000 kg pro Jahr) abgeben können. Die Stadtwerke sprachen bei der Eröffnung davon, dass bei öffentlichen Tankstellen im Schnitt 5 Kilogramm Standard waren. Die Mobiel-Busse verfügen über je fünf Wasserstofftanks, die 37,5 Kilogramm Wasserstoff aufnehmen können. Der „Mangel“ der Müllabfuhr besteht nun darin, keine Fahrgäste zu befördern, daher scheidet er gemäß Förderrichtlinien aus dem Empfängerkreis des lokalen Wasserstoffs aus.
NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) will es bei dieser Posse nicht belassen. Wie die Pressestelle seines Ressorts auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt, suche er nach einer Lösung für Bielefelds Wasserstoff-Tankstelle. „Wir werden mit dem Bund sprechen, um es zu ermöglichen, dass dort auch andere Wasserstoff-Fahrzeuge tanken können“, so Krischer. Ob dies eine Umwidmung und den Verlust von Fördergeldern nach sich zieht oder eine andere Idee greift, ist derzeit nicht auszumachen.
Hamms teure Lösung ist dagegen günstigWie unkompliziert es gehen kann, zeigt sich etwas weiter südlich, am Nordostrand des Ruhrgebiets. In Hamm gibt es seit Mitte November eine brandneue Wasserstoff-Tankstelle in Händen der örtlichen Stadtwerke.
Vorgesehen war sie für aktuell zwei H2-Fahrzeuge des Verkehrsbetriebs, der ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Kommune ist. Die Wasserstoff-Busse sind seit Anfang Oktober in Diensten der Verkehrsbetriebe, hatten aber in der Nähe zunächst keine Tankmöglichkeit. Denn eine im benachbarten Kamen betriebene Tankstelle hatte zum Jahreswechsel 2024/25 aufgegeben.
Während die Busse eine geeignete Zapfanlage in Herten vorfanden, ergaben sich für die beiden Wasserstoff-Müllfahrzeuge des Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebs Hamm (ASH) ähnliche Probleme wie in Bielefeld. Sie hatten regelmäßig Münster anfahren müssen, um ihren Treibstoff zu bekommen.
Nun hat sich eine teure Lösung in Hamm als im Nachhinein womöglich günstigere Variante erwiesen. Denn die nun in Betrieb genommene Zapfanlage auf dem Anwesen des Verkehrsbetriebs in Hamm-Berge steht auch dem ASH zur Verfügung. Grund: Die Stadtwerke haben die Tankstelle ohne Fördermittel gebaut, sagt eine Sprecherin des Versorgers auf Anfrage dieser Redaktion. Damit unterliegt sie auch nicht den Tücken der Bürokratie.
// VON Volker Stephan WENIGER