Private Haushalte könnten von der Flexibilisierung ihres Stromverbrauchs profitieren. Es fehlen jedoch meistens die Voraussetzungen. Das geht aus dem jüngsten Bericht der europäischen Regulierungsbehörde „ACER“ über die Entwicklung des Stromeinzelhandels hervor. Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 3 000
kWh können nach den Schätzungen der Regulierer rund 200
Euro pro Jahr (etwa 20
Prozent der Stromrechnung) sparen, wenn sie bereit sind, ihren Verbrauch in Zeiten eines knappen Angebotes einzuschränken.
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Allerdings sei die Neigung privater Verbraucher, Verträge mit dynamischen Tarifen abzuschließen, gering – auch in den Ländern, die ausreichend mit Smart-Metern ausgestattet seien. Es fehle zum einen an regulatorischen Anreizen für die Verteilnetzbetreiber, solche Lösungen anzubieten. Zum anderen würden dynamische Tarife von den meisten Vergleichsportalen nicht berücksichtigt.
Das wichtigste Hindernis für die Flexibilisierung des privaten Verbrauchs sei weiter die unzureichende Ausstattung mit Smart-Metern vor allem in Deutschland, aber auch in Osteuropa. Während in den skandinavischen Ländern, in Österreich, Frankreich, Italien und auf der iberischen Halbinsel mehr als 80
Prozent der Haushalte über intelligente Messsysteme verfügten, seien es in Osteuropa weniger als 30
Prozent und in Deutschland sogar weniger als 10
Prozent. Verzerrt würden die Preissignale für die privaten Haushalte außerdem durch Steuern, Gebühren und die Netzentgelte sowie mangelnden Wettbewerb.
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Tom Weingärtner Quelle: E&M |
Auch wenn die bestehenden Hürden überwunden würden, sollte man nicht erwarten, dass alle Haushalte von der Möglichkeit dynamischer Tarife Gebrauch machten, heißt es in dem Bericht weiter: „Nicht alle Haushalte können oder wollen ihre Nachfrage aktiv steuern.“ Bei sozial schwachen Verbrauchern sollte der Schutz vor schwankenden Preisen im Vordergrund stehen. Der Verbraucherschutz sollte allerdings gezielt und begrenzt eingesetzt werden, damit das Flexibilitätspotenzial der Verbraucher, die in der Lage seien, auf Preissignale zu reagieren, mobilisiert und genutzt werden könne.
Hohes Flexibilisierungspotenzial vorhandenAcer erwartet, dass die Möglichkeiten der privaten Haushalte, ihren Verbrauch zu steuern, in den nächsten Jahren zunehmen wird. Bislang entfällt nur gut ein Viertel ihres Verbrauchs auf Elektrizität. Mit dem Vordringen der Elektromobilität und der Wärmepumpe werde dieser Anteil aber deutlich ansteigen. Der Wärmebedarf (Heizung und Warmwasser) verbraucht im europäischen Durchschnitt drei Viertel der Energie in den privaten Haushalten. Insgesamt belief sich deren Energieverbrauch 2023 auf 2.667
TWh. Das waren gut 40
Prozent des gesamten Energieverbrauchs.
Die wachsende PV-Eigenproduktion stelle ein weiteres Flexibilitätspotenzial dar. Diese Möglichkeiten würden die privaten Haushalte nach Ansicht der Regulierer aber nur nutzen, „wenn sie von der Anpassung oder Verschiebung ihres Verbrauchs profitieren“.
Und der Bedarf dafür wird nach der Prognose der Regulierer immer größer. Der Vormarsch der Stromerzeugung aus Wind und Sonne führe zu immer größeren Schwankungen in der Erzeugung. Im vergangenen Jahr wurden noch fast drei Viertel des Stroms in der EU durch fossile Kraftwerke, Atomkraftwerke und „steuerbare Erneuerbare“ bereitgestellt.
Bis 2030 wird dieser Anteil voraussichtlich auf etwa die Hälfte zurückgehen, Tendenz: weiter sinkend. In diesem Jahr beziffert ACER den „täglichen Flexibilitätsbedarf“ auf 222
TWh/Jahr. Bis 2028 erwarten die Regulierer einen Anstieg auf 328
TWh/Jahr und 2030 sogar 426
TWh/Jahr.
Abends kein Anreiz zum EnergiesparenBislang werde diese Flexibilität fast ausschließlich von fossilen Kraftwerken bereitgestellt. Sie kämen zum Einsatz, wenn es eng werde auf dem Markt für Elektrizität und setzten dann den Preis. Die schwankende Erzeugung aus Wind und Sonne führe mittags zu sinkenden, oft auch negativen Preisen. Davon könnten die privaten Haushalte mit festen Preisen nicht profitieren. Abends bestehe kein Anreiz, Energie zu sparen, was die Preise treibe. Tarife, die Preissignale außer Kraft setzten, seien in der EU die Regel und in manchen Ländern sogar regulatorisch vorgeschrieben.
Die meisten privaten Haushalte beteiligten sich nicht aktiv an der Energiewende, da sie sich ihrer Möglichkeiten nicht bewusst seien. Ein großer Teil derjenigen, die ihre Möglichkeiten erkannt hätten, würden auf die hohen Kosten der Elektrifizierung etwa durch Wärmepumpen verweisen: „Bezahlbarkeit wird als wichtige Priorität der Energiepolitik betrachtet.“
// VON Tom Weingärtner WENIGER